Martin Rosemann: „Was wäre, wenn? Die Frage, die in vielen europäischen Hauptstädten diskutiert wird, habe ich nach Tübingen geholt.“

„Ein volles Haus spricht für großes Interesse an unserer Rolle als Europäische Union mit einem potenziellen neuen und alten Präsidenten Trump“, so der Tübinger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann zum Auftakt seiner Veranstaltung zum Thema „Europas Antwort auf Trump: Gesellschafts- und sicherheitspolitische Herausforderungen durch die aktuellen Entwicklungen in den USA“ am 10. Mai in der Tübinger Westspitze. Die EU müsse selbstständiger werden, hier waren sich die Gäste einig bei der gut besuchten, lebhaften Podiumsdiskussion. Selbstständiger deshalb, da eine mögliche zweite Amtszeit Donald Trumps als US-Präsident nicht mehr mit angezogener Bremse starten würde. Aber auch, weil selbst unter einem Präsidenten Biden mehr europäische Verantwortung in der Welt gefragt sei. Mit auf dem Podium waren neben Moderator Rosemann der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Nils Schmid, SPD-Europakandidat Steffen Reik, Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sowie die Professor:innen Astrid Franke und Thomas Diez von der Universität Tübingen.

Die Frage nach dem Europäischen Selbstverständnis und zukünftiger EU-Politik in Zeiten wachsender Instabilität von außen und innen wurde mit viel Energie auf dem Podium sowie später auch aus dem Publikum diskutiert. „Es geht, das wurde klar, sowohl darum, Europäische Werte sowohl gegen demokratiezersetzende Kräfte im Inneren der Union zu verteidigen als auch gegen von außen auf die Zerstörung unserer Demokratien hinarbeitende autoritäre Staaten wie Russland, China oder Iran“, so Rosemann nach der Veranstaltung. Sicherheit müsse daher vernetzter gedacht werden, auch innenpolitisch, so der SPD-Bundestagsabgeordnete.

Cornelius Adebahr – eigens aus Rom für die Veranstaltung angereist – unterstrich die Gefahrenlage insbesondere mit Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Krieg in Nahost und die unter Trump wahrscheinlich anders gelagerte militärische Unterstützung der USA. Dabei skizzierte er Wege hin zu einer robusten Europäischen Sicherheitsstrategie. Wie auch der an der Universität Tübingen für Internationale Beziehungen und Friedens- und Konfliktforschung zuständige Professor Thomas Diez sah er hierfür die Notwendigkeit die Europäischen Partner in der NATO zu stärken.

Donald Trumps Wiederwahl berge aber, so Nils Schmid, neben den offensichtlichen Gefahren für Sicherheits- und auch Handelspolitik, mithin das größte Risiko in Hinblick auf das gefährliche Signal, welches die USA damit an Demokratien weltweit aussenden würden – denn die USA seien als großes Vorbild immer auch ein globales Zugpferd der Demokratie gewesen.

Inwiefern die USA das „große“ Leuchtfeuer der Demokratie sei, wurde hingegen etwas kontroverser besprochen. Professorin Astrid Franke vom Institut der Amerikanistik an der Universität Tübingen verwies auf die mangelhafte bzw. durchwachsene US-amerikanische Demokratiegeschichte und stellte die aktuelle Leuchtkraft der US-Demokratie insbesondere in Hinblick auf die mangelnde Kommunikation westlicher Länder mit dem Globalen Süden infrage. Dass dieser von Europa endlich ernst genommen werden müsse, da waren sich Franke, Schmid und Diez wieder einig.

„Ist das Phänomen Trump auch hierzulande denkbar“, wollte Moderator Rosemann wissen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen seien ähnlich, so das Podium unisono. Die Europäerinnen und Europäer stünden deshalb vor der Aufgabe, so Astrid Franke, sich selbst die Frage nach dem Wert und dem Wie der Demokratie noch einmal von ganz vorne zu stellen. Dafür, so Adebahr, sei es aber notwendig, gesellschaftliche Kämpfe auch auszufechten. Europa müssen sich klar werden, was es sei, so Franke und Adebahr weiter, und welche Werte es verteidigen wolle. Einen Konsens darüber gebe es in der EU schon lange nicht mehr. Die Feinde der Demokratie seien uns näher, als wir dächten.

„Genau deshalb will ich im EU-Parlament dafür kämpfen, dass die Europäische Union weiterhin für Frieden, Wohlstand und Freiheit steht“, so SPD-Europakandidat Reik schließlich.

„Ich persönlich glaube ja immer noch, dass Joe Biden die Wahl gewinnen wird!“, beendete Rosemann hoffnungsvoll den Abend.

Tübingen, den 17. Mai 2024